Der fliegende Weihnachtskater by Schacht Andrea

Der fliegende Weihnachtskater by Schacht Andrea

Autor:Schacht, Andrea [Schacht, Andrea]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Herausgeber: Aufbau Digital
veröffentlicht: 2011-11-21T00:00:00+00:00


16:06 Probleme

Remo ging zu seinem Platz, auf dem jetzt der Kollege der Spätschicht saß und mit ruhiger Stimme Start- und Landeanweisungen durchgab. Er nahm seinen vergessenen Schal von der Lehne, störte aber den Mann nicht. Trotzdem bekam er von der Fluglotsin auf dem Platz daneben einen Wink.

»Du wartest doch auf deine Tochter aus Köln, Remo?«

»Ja, in einer halben Stunde. Gibt es Verspätungen?«

»Ein paar Minuten, aber der Pilot hat ein Problem mit einem Triebwerk gemeldet.«

Remo schluckte. Solche Probleme waren nicht grundsätzlich dramatisch. Auch mit nur einem Triebwerk konnte die Maschine noch sicher landen. Aber Janina war an Bord. Und, wie er wusste, Kapitän Rosenhag – Captain Bunny. Sie war eine gute Pilotin, sagte er sich. Sie würde die Sache schon in den Griff bekommen. Dennoch beschloss er im Tower zu bleiben, um weiter zu hören, wie sich die Sache entwickelte.

Der Blick aus dem Fenster erhöhte das beklemmende Gefühl jedoch. Die Wolkendecke lag schneeschwer über dem Land, heftige Böen waren angekündigt.

Sie würde es nicht leicht haben.

Zweimal hatte er in seiner Laufbahn echte Notlandungen miterlebt. Sie waren zwar einigermaßen glimpflich abgelaufen, aber der Anblick eines nicht mehr zu kontrollierenden Flugzeugs im Landeanflug war mehr als erschreckend.

Verflixt, er war trainiert, ruhig und gelassen auch in solchen Situationen zu bleiben. Und Amita war es auch. Vielleicht war es nur eine Kleinigkeit, ein Verschlucken, ein Kerosin-Huster …

»Der Kapitän hat durchgegeben, dass das linke Triebwerk ausgefallen ist«, sagte die Kollegin zu ihm, als sie den Hörer niederlegte.

»Amita Rosenhag?«

»Richtig, deine Freundin.«

Remo nickte nur.

»Magdeburg«, sagte er.

»Sieht nicht so aus. Wär auch schwierig, die haben Schneetreiben.«

Die Controllerin widmete sich wieder ihrem nächsten Anflug. Remo blieb hinter ihr stehen, den Schal noch in der Hand.

Es war natürlich Blödsinn, sich irgendwelche Absturz-Szenarien vorzustellen. Oft genug hatte er schon Meldungen von Piloten entgegengenommen, die einen technischen Fehler bemerkt hatten und dennoch sicher gelandet waren. Wenn Amita nicht zu einem anderen Flughafen ausweichen wollte, dann war das ihre Entscheidung. Sie wusste genau, was sie sich und der Maschine zumuten konnte. Vermutlich hatte sie noch nicht einmal die Passagiere informiert, um eine Panik zu vermeiden. So kühl, wie sie ihn immer behandelte, würde sie auch diesen Fall abwickeln.

War sie eigentlich wirklich so kühl und gelassen?

Janina hatte augenscheinlich ein ganz anderes Bild von ihr. Sie fand sie lustig und lieb und manchmal ein wenig traurig. Kinder hatten ein gutes Gespür für Menschen, seine Tochter überraschte ihn da sowieso immer wieder. Anfangs hatte er die Pilotin einfach gerne ein bisschen aufgebracht, weil sie so sehr an ihrem Status als Flugkapitän zu hängen schien. Frauen, die diesen Beruf wählten, waren noch immer selten und mussten sich sicher einiges an bescheuerten Vorurteilen anhören. Üblicherweise hatten sie auf dumme Sprüche meist noch herzhaftere Antworten. Dass Captain Bunny hingegen so knochentrocken nüchtern blieb, hatte ihn gereizt. Er wollte herausfinden, wann ihr denn wohl der Kragen platzte und sie es ihm mit gleicher Münze heimzahlte. Aber sie hatte sich fabelhaft unter Kontrolle. Er hatte sie also als humorlose Pedantin abgestempelt, bis zu dem Augenblick, als er sie das erste Mal gesehen hatte. Bis zum Zeitpunkt ihres Einzugs in die neue Wohnung kannte er nur ihre Stimme.



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